Grob oder Fein? Welche Bedeutung hat der Mahlgrad für die Kaffeezubereitung?
Sie haben sich einen guten, frisch gerösteten Kaffee bei uns bestellt. Endlich ist er angekommen. Der Duft, der aus der geöffneten Tüte strömt, betört ihre Sinne. Am besten gleich eine gute Tasse Kaffee zubereiten. Schnell die Bohnen in die Kaffeemühle, mahlen, und gleich mal eine Tasse gebrüht.
Und dann die Enttäuschung: Boaahh! Der Kaffee schmeckt nicht! Der ist einfach nur bitter!
Bevor sie jetzt den Kaffeeröster ihres Vertrauens in die Hölle wünschen, prüfen sie nochmal die Zubereitung nach. Ganz offensichtlich ist der Kaffee zu fein gemahlen. Dadurch werden beim Überbrühen zu viele Stoffe aus dem Kaffeepulver gelöst. Auch solche, die wir in der Tasse nicht haben wollen. Allen voran die Bitterstoffe.
Kaffeezubereitung: Ein Extraktionsprozess
Im Grunde ist die Kaffeezubereitung ein Extraktionsprozess. Wir versuchen aus dem Kaffeepulver die gewünschten Stoffe, vor allem die Aromastoffe mit Hilfe von Wasser zu extrahieren.
Kaffee enthält über 1.000 Aromen und ist damit eines der aromareichsten Genussmittel überhaupt. Trotzdem, oder gerade deshalb, wollen wir nicht alle Aromen und sonstigen löslichen Teile im Kaffeegetränk wiederfinden. Speziell die Bitterstoffe möchten wir nicht in der Tasse haben. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass bei einer vollendeten Extraktion rund 20 % der Aromen in das Getränk gelöst werden. Dauert der Extraktionsprozess zu lange, werden mehr als 20 % der Aromen aus dem Kaffee extrahiert. Er gilt damit als überextrahiert. Er wird zunehmend bitter, weil zu viele Bitteraromen extrahiert wurden. Wir möchten in der Tasse nur die leicht löslichen Aromen, die vor allem in den Kaffeeölen vorhanden sind. Wenn wir jedoch versuchen würden, den Extraktionsprozess möglichst zu verkürzen, kann es passieren, das der Kaffee flach und fade schmeckt. Der Kaffee ist unterextrahiert. Will sagen: Er hatte nicht genügend Zeit, die wichtigen Aromastoffe an das Wasser abzugeben.
Was hast der Mahlgrad mit dem Geschmack zu tun?
Die einfache Antwort: Eine ganze Menge. Der Mahlgrad bestimmt neben der Temperatur und der Qualität des Wassers maßgeblich die Extraktion der Kaffeearomen. Würden wir die von Ludwig van Beethoven bevorzugten 60 Kaffeebohnen für einen Mokka einfach in eine Tasse heißes Wasser legen, könnten wir sehr lange warten, bis daraus ein Mokka werden würde. Wir müssen also die Oberfläche der Kaffeebohnen vergrößern, damit das Wasser eine größere „Angriffsfläche“ hat.
So einfach erklärt sich der Zusammenhang zwischen Mahlgrad und Zubereitungsart des Kaffees. Je gröber der Kaffee gemahlen ist, umso mehr Zeit benötigt das Wasser, die wichtigen Aromastoffe zu lösen. Umgekehrt bedeutet das, dass ein sehr fein gemahlener Kaffee nur kurze Zeit mit dem Wasser in Verbindung kommen sollte. Die Oberfläche der Kaffeebohnen ist bei der feinen Vermahlung derartig groß, das Wasser kann die leicht flüchtigen Aromen quasi im Vorbeilaufen in die Tasse mitnehmen.
Die goldene Regel lautet also: Kurze Brühdauer feiner Mahlgrad. Lange Brühdauer grober Mahlgrad.
Keine Regel ohne Ausnahme. Für die Zubereitung eines echten türkischen Mokka wird der Kaffee sehr fein gemahlen und dann mit Wasser zweimal aufgekocht. Dazu verbleibt das Pulver, respektive der Satz, auch noch in der Tasse. Jedoch wird der Mokka bevorzugt mit sehr viel Zucker genossen, das gleicht die Bitterkeit durch die Überextraktion wieder aus. In der Tasse setzt sich der besonders feine Kaffeesatz ab. Manch einer kann daraus die Zukunft bestimmen.
Trotz dieser Ausnahme bleibt die Regel eine sehr gute Orientierung für ihre Kaffeezubereitung. Die perfekte Extraktion ist allerdings noch von anderen Faktoren abhängig. Wichtig sind neben dem Mahlgrad vor allem der Härtegrad und das Säureprofil des Wassers. Das Wasser sollte möglichst ph-neutral sein einen mittleren Härtegrad haben. Am besten nähert man sich dem individuell richtigen Mahlgrad durch probieren. Möchten Sie den Kaffee lieber etwas kräftiger, stellen Sie den Mahlgrad etwas feiner. Soll er etwas milder werden, mahlen Sie den Kaffee grober.
Welcher Mahlgrad ist der Richtige?
Die folgende Liste soll ihnen einen Überblick über die grundsätzlichen Mahlgrade verschaffen:
Feiner Mahlgrad
- Mokka (sehr fein, schon fast wie Mehl)
- Espresso aus dem Siebträger
- Kaffeevollautomat
Mittlerer Mahlgrad
- Espressokocher
- Aeropress
- Handfilter
Grober Mahlgrad
- Syphon
- French-Press (Pressstempelkanne, Bodum-Kanne)
- Karlsbader Kanne
Innerhalb der Gruppen habe ich von fein nach grob sortiert. Es gibt leider keine einheitliche Mahlgradeinteilung, sodass Zahlenwerte auf einer Mühle nur für die eigene Orientierung geeignet sind. Sie sind in keinem Fall übertragbar auf eine andere Mühle.
Man muss die Kaffeezubereitung nicht als Wissenschaft ansehen. Es macht trotzdem sehr viel Spaß verschiedene Methoden und Mahlgrade auf ihre geschmacklichen Auswirklungen zu testen. Und wenn Sie mit den Mahlgraden durch sind, probieren Sie mal verschiedene Wässer aus, oder verschiedene Temperaturen oder…. Sie merken, man kann alles übertreiben.