Bei jedem Back-, Brat-, Frittier- oder Röstvorgang entsteht Acrylamid. Es entsteht durch eine Reaktion von Eiweißen und Zucker unter Einwirkung hoher Temperaturen. Die Reaktion beginnt bei Temperaturen von über 120 ° C und verstärkt sich überproportional bei Temperaturen über 180 ° C.
Für uns als handwerklichen Kaffeeröster bedeutet das: „Keep cool“. Kaffeemanufakturen wie wir oder unsere Kollegen rösten bei niedrigen Temperaturen unter 200 ° C. Dabei bildet sich deutlich weniger Acrylamid als bei den industriellen Röstungen, die mit erheblich höheren Temperaturen rösten.
Leider ist es ein Fakt: Röstkaffee enthält immer Acrylamid. Dabei ist es im Wesentlichen egal wo der Kaffee angebaut wurde. Biokaffees sind genauso betroffen, wie herkömmlich angebaute Kaffees. Das Acrylamid entsteht bei der Röstung des Kaffees. Nur bei der Röstung kann aktiv die Bildung des Acrylamids beeinflusst werden.
Wir lassen unsere Röstkaffees auf Acrylamid testen und erreichen jeweils Werte unter 250 µg pro Kilo Röstkaffee. Damit liegen wir deutlich unter dem Signalwert von 450 µg pro Kilo Kaffee, welcher die EU im Jahr 2011 festgeschrieben hat.
Wir schreiben das Jahr 1997, als es bei einem Tunnelbau im schwedischen Südwesten zu einem folgenschweren Unfall kommt. Beim Bau des Tunnels kommt es zu einem Wassereinbruch. Die Arbeiter versuchen mit Hilfe eines Kunststoffes auf Polymerbasis den Wassereintritt zu stoppen. Leider funktionierte das nicht ganz wie gewollt. Der Kunstsoff verfestigte nicht so wie vorgesehen. Einige Stoffe dieses Mittels gelangen in das Grundwasser. Es befürchtete niemand etwas schlimmes, bis in einem nahegelegenen Teich die Fische verendeten. Kühe, die in der Nähe der Baustelle weideten, torkelten wie nach zu heftigem Alkoholkonsum. Selbst die Arbeiter auf der Baustelle klagten über Schwindel und andere Beschwerden.
Die konkrete Untersuchung der Zusammenhänge lies schnell darauf schließen, das unter anderem auch Acrylamid – eine als Baustein für Kunststoffe schon lange bekannte Chemikalie – in das Grundwasser gelang und die Tiere verenden lies. Um Schaden von den Menschen abzuwenden wurden die Arbeiter einer Reihenuntersuchung unterzogen. Die Wissenschaftler trauten ihren Augen nicht, als sie die Konzentration von Acrylamid im Blut der Betroffenen feststellten. Das konnte unmöglich nur von dem Unfall sein, die Höhe der Blutkonzentration passte nicht zur freigesetzten Menge an der Baustelle. Wo kommt das Acrylamid in solch hoher Konzentration her?
Die Wissenschaftler begannen ihre detektivische Arbeit. Sie untersuchten Wildtiere – ohne Befund, kein Acrylamid im Blut. Es war auch 1997 schon bekannt, das Acrylamid im Zigarettenrauch vorkommt. Also ist Acrylamid ein Produkt, das sich bei Verbrennungsvorgängen oder bei Hitze bildet? Der Verdacht lag nahe, das der Stoff vielleicht auch über das erhitzen von Lebensmittel bildet. Wildtiere essen ihre Nahrung nicht frittiert oder gebraten.
Ein Versuch mit Ratten brachte Klarheit: Einer Gruppe wurde nur Rohkost gereicht. Der anderen Gruppe ausschließlich hocherhitze, sprich frittierte, Nahrung. Der Beweis war erbracht: Die Rohkost-Gruppe hatte kein Acrylamid im Blut. Bei der anderen Gruppe konnte man eine relativ hohe Konzentration des Schadstoffes nachweisen.
Die Sensation war perfekt als nachgewiesen wurde, dass vor allem Lebensmittel, die Eiweiße (Aminosäure Asparagin) und freie Zucker enthalten, betroffen sind. Die Zucker und Eiweiße reagieren unter starker Hitze und bilden Acrylamid. Fazit: Je heißer ein stärkehaltiges Lebensmittel zubereitet wird, je höher ist die Konzentration von Acrylamid. Pommes und Kartoffelchips landeten direkt auf der Liste der am stärksten belasteten Lebensmittel.
Acrylamid ist gut wasserlöslich. Es wird vom Körper durch den Stoffwechsel vom Blut aufgenommen und in den Organen verteilt. In der Leber wird aus Acrylamid die Verbindung Glycidamid gebildet. Acrylamid und vor allem Glycidamid reagieren mit körpereigenen Proteinen und mit der DNA. Acrylamid wird eine nervenschädigende und krebserzeugende Wirkung nachgesagt.
Im Tierversuch wurde die Bildung von bösartigen Tumoren durch Acrylamid bewiesen. Ebenfalls die negative Wirkung auf das Erbgut. Die in den vergangen Jahren durchgeführten epidemiologischen Studien am Menschen konnten die krebserzeugende Wirkung auf den Menschen nicht eindeutig beweisen. Die aufgenommenen Mengen des Stoffes waren zu gering, um eine abschließend sichere Feststellung zu treffen.
Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass die Wirkung von Acrylamid vor allem bei Kindern und Jugendlichen bedenklich ist. Durch das geringere Körpergewicht ist die über die Lebensmittel aufgenommene Dosis höher als bei Erwachsenen.